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© Filip Dujardin

Historisch und modern

Millionen hoffnungsvoller Auswanderer verbrachten nervzermürbende Stunden in den Hallen der Red Star Line am Rijnkaai. Denn hier entschied sich, wer in den USA oder in Kanada ein neues Leben beginnen durfte und wer nicht. Wenn die Mauern reden könnten, würden wir zahllose ergreifende Geschichten vernehmen. Kein Wunder, dass die Gebäude der Red Star Line unter Denkmalschutz stehen.

Das wichtigste Sammlungsstück: die Gebäude

Wenn die Mauern des Red Star Line Museums reden könnten, würden sie zahllose Geschichten erzählen - Geschichten von hohen Erwartungen und tiefen Enttäuschungen, von unerträglicher Spannung und schlaflosen Nächten, von Kindern, die ihren Eltern nachreisten und Familien, die ihre Kinder zurücklassen mussten. Die alten Gebäude der Reederei machen alle diese Geschichten spürbar, greifbar und sichtbar. Darum sind die Hallen für uns das wertvollste Stück in unserer Sammlung. Sie wurden sorgfältig restauriert und renoviert.

Denkmalgeschütztes Monument

Am Rijnkaai im ältesten Hafenviertel Antwerpens („Eilandje“), genau dort, wo die Schelde einen weiten Bogen in Richtung Nordsee macht, stehen drei mächtige Ziegelsteinhallen. Einst gehörten sie der Red Star Line oder wurden von ihr benutzt. Die Auswanderer wurden dort ein letztes Mal ärztlich untersucht, ihre Papiere wurden kontrolliert und ihr Gepäck wurde desinfiziert.

Die Hallen an der Ecke Rijnkaai-Montevideostraat stehen wegen ihres historischen und architektonischen Werts unter Denkmalschutz. Die Anerkennung als denkmalgeschützte Monumente erfolgte in zwei Schritten.

  • 2000 empfahl das Bürgermeister- und Schöffenkollegium der Stadt Antwerpen, eine Reihe von Gebäuden auf dem „Eilandje“ unter Denkmalschutz zu stellen. Dabei handelt es sich um die Lagerhäuser „Montevideo“, das Anwerbelokal für Hafenarbeiter („De Shop“) und die Gebäude der Red Star Line.
  • 2001 wurden zwei der drei Hallen – „De Loods“ sowie das heutige Hauptgebäude des Museums – von der flämischen Regierung unter Denkmalschutz gestellt. 2007 folgte das Eckgebäude, das älteste und kleinste Gebäude des Komplexes.

Vier Gebäude

Das neue Red Star Line Museum besteht aus vier Gebäuden, die alle eine unterschiedliche Architektur aufweisen. Im Einzelnen sind das die drei historischen Hallen – „De Loods“, das Eckgebäude und das Hauptgebäude – und der neue Turm.

Das Hauptgebäude

Nach dem Ersten Weltkrieg schraubte die amerikanische Regierung die Zahl der Einwanderungen drastisch zurück. Genau in dieser Zeit baute die Red Star Line am Rijnkaai eine neue, große Halle. Wahrscheinlich fühlte sich die Reederei dazu verpflichtet, um die zunehmenden verwaltungstechnischen Kontrollen und ärztlichen Untersuchungen der künftigen Auswanderer durchführen zu können.

Dieses Gebäude ist das imposanteste und architektonisch interessanteste des Komplexes. Es wurde um 1922 nach einem Entwurf von Jan Jacobs im schlichten Art-Déco-Stil errichtet und hat eine Fläche von etwa 800 m2.

Das neue und das alte Gebäude wurden miteinander verbunden. Es gab in dem Komplex getrennte Duschen für Männer und Frauen, einen Saal mit Desinfektionskesseln für die Kleidung, zwei Wartesäle und einen Frisör.

„De Loods“

Einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg baute die Stadt Antwerpen an der Montevideostraat einen großen, hohen und breiten Zollschuppen von rund 550m2 mit einer schmalen, schmucken Backsteinfassade. Möglicherweise wurde dieser Schuppen (nl. loods) von der Red Star Line für die Aufbewahrung von Frachten und Gepäck genutzt.

Der Turm

Von Anfang der 1920er Jahre bis 1934 war der hohe Schornstein der Abfertigungshallen der Red Star Line der Orientierungspunkt für die Zehntausenden von Passagieren, die vom Antwerpener Hauptbahnhof zum Scheldekai zogen. Er kündete von baldiger Abfahrt und davon, dass Amerika nun beinahe in Reichweite lag.

Seit 1936 gibt es den – einst ständig rauchenden – Schornstein nicht mehr und die Antwerpener Skyline ist um ein historisches Wahrzeichen ärmer. Deshalb wurde nun ein neuer Turm errichtet. Er stellt eine Verbindung zwischen dem Museum und dem Kai dar, von dem die Schiffe der Red Star Line ablegten. Besucher, die auf dem Turm stehen, können sich unschwer in die Auswanderer hineinversetzen, die von den riesigen Ozeandampfern aus einen letzten Blick auf die Stadt warfen. 

 

Die Architekten

Die Restaurierung der Gebäude und der Umbau zu einem Museum lagen in den Händen des namhaften amerikanischen Architektenbüros Beyer Blinder Belle Architects and Planners. Sie realisierten bereits andere große Projekte: So renovierten sie das Ellis Island Immigration Museum und den Bahnhof Grand Central in New York.

Für viele Passagiere der Red Star Line waren die Abfertigungshallen am Rijnkaai die letzte Station auf dem europäischen Festland. Heute ist der Gebäudekomplex einer der wenigen erhalten gebliebenen architektonischen Zeugen des Exodus von Millionen Europäern nach Amerika. Den Architekten lag viel daran, den historischen Charakter des Komplexes maximal aufzuwerten.

Das Eckgebäude

© Filip Dujardin

Das Eckgebäude – heute die kleinere der beiden Museumshallen – ist das älteste Gebäude des Komplexes. Es handelt sich um eine niedrige Halle aus rotem Backstein mit einer Fläche von etwa 400 m2. Die Reederei baute sie 1894, nachdem es zu unzähligen Klagen der Auswanderer gekommen war, weil die ärztliche Untersuchung im Sommer wie im Winter, bei Wind und Wetter auf dem Kai erfolgte.

Trotz der neuen Halle gab es weiterhin Beschwerden, weil noch immer Untersuchungen im Freien stattfanden. Das Gebäude war viel zu klein für die vielen hundert Migranten, die kurz vor der Abfahrt innerhalb weniger Stunden ärztlich untersucht werden mussten.

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